Der Junge und der Reiher

Animationsfilm
Japan 2023
Regie: Hayao Myazaki
Laufzeit: 124 min.
FSK ab 12

Eigentlich hatte der inzwischen 83-jährige japanische Regisseur Hayao Myazaki bereits vor rund zehn Jahren angekündigt, keinen Film mehr zu machen. Das wäre schade gewesen, denn auch jetzt wieder hat er mit seinen handgezeichneten beeindruckenden Animationen und seiner grenzenlosen Fabulierlust ein faszinierend rätselhaftes Reich erfunden.

Tokio 1942. Es regnet Bomben und die Mutter des 12-jährigen Mahito kommt dabei ums Leben. Der Junge ist tief verstört. Als sein Vater ein Jahr später die jüngere Schwester der Mutter geheiratet hat, zieht die Familie wegen des weiter andauernden Krieges aufs Land. Vieles ist seltsam in dieser neuen Welt: die langen Gänge des riesigen Hauses, die Schar der kichernden alten Hausangestellten, das dichte Grün des Waldes und erst recht der ungehobelte Graureiher, der Mahito nicht in Ruhe lässt. Er behauptet, seine Mutter sei nicht tot, sondern lebe in einem zugemauerten Turm und lockt den Jungen in eine Welt, die noch eigenartiger ist als das Gutshaus der Tante…

Eine wunderbare Gemeinschaft skurriler Gestalten, die mal bedrohlich, mal lustig, mal ziemlich dumm und dann wieder sehr weise sind, hat Myazaki hier erschaffen. Er verzichtet weiterhin auf Computeranimation, gibt erstaunlicher Fantasie viel Raum und zeugt von großer Empathie für seine Figuren: Wenn sich Mahito etwa nach seiner Ankunft in seinem neuen Zuhause aufs Bett legt, spürt man das ganze Gewicht der Trauer, die auf dem Jungen lastet; wenn der Reiher dann später auf dem Fensterbrett landet, verströmt er aus jeder gespreizten Feder anmaßende Dreistigkeit.

Die Faszination für Mythen und Märchen, die Beschäftigung mit Verlust und Traumata, seltsame Wesen, die mal skurril, mal grotesk erscheinen, ein kaum merkliches Verwischen von Realität und magischen Welten – alles typisch für Myazaki. Und unverwechselbar gut.

Der Film erhielt den Golden Globe als Bester Animationsfilm.