

Schattenkind - Bilder des anderen Lebens
zu Gast: Regisseur Jo Müller und Protagonist Andreas Reiner
Dokumentarfilm
Deutschland 2022
Regie: Jo Müller
Laufzeit: 88 min.
FSK n.v.
Der Fotograf Andreas Reiner, relativ zurückgezogen auf dem Land in der Gegend um Biberach lebend, ist bekannt für seine vielfältigen, mutigen, starken und kreativen Projekte. Der Film verfolgt ihn bei seiner Arbeit und zeigt sein genügsames Leben auf seinem baufälligen Bauernhof. Reiner ist mehr Künstler als Fotograf. Aus den Hunderten von Fotos will er nicht das eine raussuchen, weil es ihm besonders gefällt. Nein, er will Echtheit, er will den Schmerz, die Narben, Falten und das Unperfekte, das, was jede und jeden plagt und formt. Er geht in geraume Vorarbeit zu jedem seiner Projekte, taucht tief mit ein in den Alltag und die Gedanken der Menschen und scheint ihnen eine Plattform zu geben, die sie wollen und selbst nicht erschaffen können. Er hält nicht einfach irgendwelche Momente fest, sondern ganze Leben in stillen Pixeln, die aber atmen und beben und ihre Geschichte jedem Betrachter erzählen wollen. Emotionalität, Glück und Menschlichkeit stehen im Fokus von Andy Reiners Arbeit. Und während Filmemacher Jo Müller Reiner ihn über mehrere Monate bei seiner Arbeit beobachtet, schlägt er eine Brücke zwischen seiner künstlerischen, sozialen und gesellschaftlichen Ambition und seinem persönlichen facettenreichen Leben.
Sein Vater stirbt, als er 15 ist, die Mutter nimmt sich, einen Tag vor seinem 20. Geburtstag das Leben. Nun braucht der gelernte Zimmermann selbst Rettung. Mehrere Jahre verbringt er in einer psychiatrischen Klinik. Dann macht er eine Umschulung zum Fotografen. Und so wird die Fotografie zu seiner Sprache und gleichzeitig sein Mittel, die Verbundenheit mit denen zu zeigen, deren Leben ebenfalls in Kipplage geraten ist oder war. Denn Reiners kennt den Schmerz.
Jo Müller zeigt einen Menschen, für den Fotografieren ein Akt der Solidarität ist. Der Erdung lebt. Ihm bei der Arbeit zuzusehen, ist faszinierend. Seine Bilder öffnen einem die Augen, decken die eigenen Ängste und Tabus auf, bisweilen sind sie aber auch voller Witz und Schalk. Und so authentisch der Künstler an seine Modelle, an seine proträtierten Menschen herangeht, so ehrlich und echt porträtiert Jo Müller auch ihn. Das ist behutsam, persönlich, menschlich und berührend.
Zu Recht erhielt der Filmemacher auf den Hofer Filmtagen für dieses kleine Meisterwerk den Dokumentarfilmpreis.